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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hirnmetastasen haben sich vermehrt


sanmei
13.08.2008, 15:04
Hallo Zusammen,
mein Name ist Sandra (36), meine Mutter (56) hat seit einem Jahr Lungenkrebs mit Hirnmetastasen. Festgestellt wurde das ganze, nachdem sie über Wochen einen tauben Fuß hatte. Es konnte nicht operiert werden, so wurde der Kopf stark bestrahlt und die Lunge mehrfach mit Chemo und und später mit auch mit intensiver Bestrahlung behandelt. Ich hatte mich zum Zeitpunkt der Diagnose viel im Internet informiert und wusste von Anfang an, wie schlecht die Chancen stehen (statistische Diagnose ohne OP ca. 6 Monate)

Umso glücklicher bin ich, dass es ihr nun über ein Jahr relativ gut ging. Kaum Nebenwirkungen (außer der Übelkeit bei der Chemo, die Haare sind ausgefallen, aber wieder nachgewachsen) und auch mental hat sie die Krankheit eher weggewunken, als dass sie Angst oder Sorge gezeigt hätte. Tapfere Mutti! Obwohl ihr bestimmt auch öfter schlimme Gedanken durch den Kopf gegangen sind. Leider hat sie weiterhin geraucht (und zwar nicht zu knapp) und sich viel mit ihrem Partner gestritten, weil beide nun den ganzen Tag zu hause waren und sich beide einfach manchmal auf den Wecker gingen. Dazu regelmäßig die Behandlungen beim Arzt, aber immer ambulant, nie war sie bislang im Krankenhaus.

Jetzt wissen wir seit letzter Woche, dass sich die Metastasen vermehrt haben (wegen starken morgendlichen Schwindels wurde ein neues MRT gemacht). Meine Mutter hat die Ärztin gefragt:
"Und was hat mir dann die Bestrahlung gebracht?".
Und die Ärztin, sagte ihr: "Ein Jahr, Frau X. Ein Jahr."

Weitere Bestrahlung nicht möglich. Noch mal Chemo?
"Ja, wenn sie wollen, können Sie das natürlich machen...."
Die Ärztin hat viel rumgedruckst, aber wir haben schon verstanden, was sie uns sagen wollte.

Uns allen ist nun klar, dass es jetzt doch schnell gehen kann, dass wir sie verlieren. Zum ersten Mal ist vor allem IHR das klar geworden. Sie hat sich mit ihrem Partner ein paar Tage in ein verlängertes Wochenende geflüchtet und sie haben gemeinsam beschlossen - gottseidank - nicht mehr zu streiten und die verbleibende Zeit richtig zu genießen. Ihre Sprüche ("Ach, da lachen wir alle in 20 Jahren drüber") macht sie nun nicht mehr und ich habe das Gefühl, dass sie nun anfängt, die wichtigen Dinge zu sagen und Abschied zu nehmen.

Sie haben schon vor einiger Zeit Urlaub im September gebucht und auch vom Arzt gesagt bekommen, ja, sie solle jetzt alles tun, was ihr Freude macht. Wenn es passiert, dann passiert es. Es mache keinen Sinn Wochen und vielleicht Monate darauf zu warten.

Puuh, wie ihr seht, ist dies mehr ein Bericht über den bis jetzt verhältnismäßig guten Verlauf einer schlimmen Krankheit und eine sehr tapfere Mama. Ich selbst habe mich zum Zeitpunkt der Diagnose sehr stark auseinandergesetzt mit dem, was da kommen mag. Nachdem ich den Kopf wieder heben konnte (nach fast 2 Monaten!), habe ich mich darauf konzentriert, mich solange zu freuen, wie es ihr gut geht und ihr ein ehrlicher Ansprechpartner zu sein. Leider wohne ich 300 km weit weg und wir sehen uns deshalb nicht so oft, wie es nötig wäre. Auch jetzt - wo mir das Herz wieder in die Magengrube sinkt - versuche ich, den Kopf oben zu behalten, mich mit ihr auf den Urlaub zu freuen und sie zu ermutigen, wenn sie sagt "Dieses Jahr will ich noch schaffen".

Ich habe Angst. Vor dem Tag, an dem sich alles verändern wird.:cry:

Ela4811
13.08.2008, 15:23
Liebe Sandra,

es tut mir leid, dass es deiner Mutter so schlecht geht und keine Therapie eine Heilung bringen kann. Fühl dich in den Arm genommen.

Meine Mama ist im Alter von 58 Jahren im Januar diesen Jahren an einem Gehirntumor gestorben. Nach der Diagnose hatten wir keine 6 Monate mehr.

Ich kann dir nur den Rat geben. Genieße die Zeit mit deiner Mama intensiv. Und auch ich bin froh, dass deine Mutti und ihr Partner sich nicht mehr streiten. Diese Energie sollten sie auch für was anderes nehmen...

Ich schicke dir viel Kraft

Ela

sunflower6806
13.08.2008, 15:45
Hallo ich kann mit Dir mit fühlen. Meine Schwiegermutter die für mich auch meine Mutter ist, hat seit 3 Jahren Krebs . Angefangen hat es mit Darmkrebs über Blasen und Lungenkrebs. 13 Ops in 3 Jahren, künstlichen Darmausgang und 2 Nierenfisteln. Soweit ging es ihr gut sie unternahm viel.

Nun vor 5 Wochen der Schock Metastasen im Gehirn, Strahlenthrapie und es geht ihr sehr schlecht. Von einen Tag auf den anderen war laufen sitzen essen usw. nicht mehr möglich. Die Ärzte haben sie aufgegeben sagen uns das sie wahrscheinlich nicht mal mehr weihnachten erlebt.
Ihr grösster Wunsch ist es zu Hause zu sterben denn wollen wir ihr erfüllen. Ich habe meinen Job aufgegeben und bin nur noch für sie da.

Ich weiss wie schwer es ist einen geliebten Menschen leiden zu sehen.
Ich wünsche dir viel Kraft und geniesse die schöne Zeit mit ihr.
Lg

Naddel2909
13.08.2008, 23:24
Hallo Sandra,

ich weiß genau wie du dich jetzt fühlst....

Wir haben die Diagnose Hirnmetastasen am 06.05.08 bekommen. 5 Wochen später wussten wir dann endlich, dass der Primärtumor in der Lunge sitzt und am 25.07.2008 ist meine Mama mit 61 Jahren gestorben.

Ich war mir grade nicht sicher, ob ich das wirklich schreiben soll, aber ich denke du weißt wie die Chancen stehen und ich muss deine Situation nicht mehr schön reden, wie es viele bei mir getan haben. Denn letztendlich Hilft das zwar für einen kurzen Moment, aber langfristig nicht.

Ich weiß wie du dich fühlst und ich weiß was jetzt noch auf dich zukommt...Versuche die Zeit mit deiner Mama zu genießen...

Ich wünsche dir für die kommende Zeit unendlich viel Kraft...und nicht nur für dich, sondern natürlich auch für deine Mama und alle die euch in dieser schweren Zeit beistehen.

Liebe Grüße
Nadja

sanmei
20.08.2008, 18:14
Hallo Ihr Lieben,
ich danke Euch für Eure Nachrichten, die ich leider erst heute lese.
Ich bin immer wieder erschrocken zu hören, wie viele ähnliche Geschichten wir alle zu erzählen haben. Das ist so traurig. Ich drücke Euch alle.
Ela, Nadja, Ihr habt beide Eure Mutter in diesem Jahr verloren - sehr plötzlich und viel zu früh. Ich kann nur erahnen, was ihr durchgemacht habt. Irrationalerweise denkt man ja sowieso immer, die Mutter wird ewig für einen da sein. Seit ich begriffen habe, dass sie mich nun wegen einer Krankheit 20 - 25 Jahre früher verlassen wird, fühle mich einfach nur hilflos...wütend...ohnmächtig...man kann nix machen, ....sich dem nur irgendwie fügen..

Sunflower, du kämpfst gerade einen besonders schweren Kampf. Ich finde es toll, dass du bei deiner Mutter bist und dass es dir sogar möglich war, deinen Job aufzugeben, um bei ihr zu sein. Ist deine Mutter denn sonst gut ansprechbar? Himmel, du erlebst gerade genau die Phase, vor der ich so eine Heidenangst habe. Was wird, wenn wichtige Funktionen im Gehirn aussetzen? Dass die Ärzte sich überhaupt zu einer Prognose hinreißen lassen, lässt nichts Gutes ahnen. Wird sie denn nun gar nicht mehr behandelt???

Mädels, ich drücke Euch alle ganz doll. Ich freue mich, hier auf meinen ersten Eintrag so ein guttuendes Feedback bekommen zu haben. Man grübelt ja schon sehr viel und manchmal habe ich einfach das Gefühl, das muss auch mal raus sonst platze ich. Tut gut zu hören, dass man das als Tochter auch irgendwie überstehen kann und man nicht alleine ist.

oma2
20.08.2008, 21:46
Hallo Sanmei,

leider kann ich dir nicht helfen, ich würde es sehr gerne tun...

Kann dir nur sagen, dass ich leider zu gut weiß wie du dich fühlst. Dieser sch.... Krebs bringt so viel Leid mit sich. Ich habe meine Mama auch viel zu früh verloren, vor genau 3 Monaten ich war im 8 Monat schwanger :weinen: Leider hat sie ihr 2. Enkelkind nicht mehr kennen lernen dürfen... und wenn meine ältere Tochter (19 Monate) mit dem Finger zum Himmel zeigt und OMA sagt, könnte ich jedesmal laut losweinen. Sie fehlt mir einfach so sehr !

Auch wenn du 300 km von deiner Mutter entfernt wohnst solltest du die Zeit die du mir ihr hast nutzen und genießen. Toll, dass du versuchts immer wieder den Kopf oben zu behalten, ich finde dass ist schonmal eine sehr gute Einstellung. Es ist nicht immer leicht, aber so versuche ich das auch.

Wünsche dir und deiner Mutter alles alles Gute und viel Kraft für die kommende Zeit.

Oma2

sanmei
21.08.2008, 12:19
Lieben Dank. Ich habe schon viele deiner Beiträge gelesen. Du leistest hier einen großartigen Dienst, denn du spendest viel Trost und verteilst Mut und Aufmunterung in großen Tüten...trotz deiner eigenen Geschichte und großen Kraftanstrengung, die du in den letzten Monaten sicher gebraucht hast und immer noch jeden brauchst, um deinen eigenen Alltag irgendwie zu bewältigen...ohne die Mama...(Mist, ich heule hier bei jedem zweiten Beitrag, den ich lese)

Morgen fahre ich endlich wieder zu meiner Ma, sie mal ordentlich in den Arm nehmen und mir ihre neue Prachtfrisur ansehen, denn seit kurzem wachsen auf ihrem geplagten Kopf tatsächlich wieder ordentlich Haare.

Die von der Ärztin vorgeschlagene, letzte mögliche Möglichkeit - doch noch eine Chemo! - will sie ergreifen und sie basteln ihr nun einen Plan zurecht, der dann nach ihrem Gran Canaria Urlaub starten soll. Sie ist jetzt schon traurig, dass sie dann wieder ihre Haare verlieren wird. Sie sagt, mit Haaren sieht sie wenigstens nach außen nicht krank aus.

Sie sagt, ihr Schwindel sei weg, ohne Mediakamente (die sie bekommen hat, aber nur nehmen soll, wenns gar nicht mehr geht). Dafür spürt sie am Kopf schon wieder etwas neues, das da vorher noch nicht war. Was in diesem kleinen Köpfchen bloß alles passiert und nicht mehr aufgehalten werden kann... Ich drücke ihr so die Daumen, dass sie einen wunderbaren Urlaub haben wird!!

Eins noch: Das mit der Entfernung ist wirklich großer Mist. Ich bin nie bei einem Arzttermin dabei, kann ihr nie bei der Chemo die Hand halten (meinen Urlaub hebe ich mir irgendwie auf...ohne es vor mir selbst richtig zuzugeben, für wenn es mal schlimmer kommt). Ich weiß nicht mal genau, was sie alles kriegt. Sie redet auch nicht gerne drüber und ich habe das Gefühl, dass sie in so einem Arzttermin auch selbst nicht weiter nachfragt. Sich bloß nicht zu doll damit beschäftigen, sonst wird es vielleicht zu real..

*seufz*

chrisi0211
21.08.2008, 12:38
Hallo Sanmei!

Ich verstehe es sehr gut, daß die Entfernung oft für Dich ein Problem ist :(, meine Eltern wohnen auch gute 2 Autostunden von mir entfernt (leben getrennt) und wie meine Mama heuer im April einen Monat im KH war und dann selber nicht gut konnte und ich laufend zu ihr gefahren bin... Ich hätte das gar nicht gekonnt, wenn ich nicht so eine liebe Schwägerin hätte, die sich in dieser Zeit um unseren Junior gekümmert hätte, so daß ich weg konnte...
Es ist nunmal leider was anderes, wenn man Dasein kann als nur telefonischen Beistand zu leisten...
Man ist da in so einer Zwickmühle: Man möchte sooo gerne und kann aber nicht immer :(.

Ich wünsche Deine Ma, daß sie ihren Urlaub genießen kann :). Ich verstehe auch, daß sie nicht immer über die Krankheit reden will, ich denke, daß es eine Art Selbstschutz ist :sad:, sie weiß ja, wie es aussieht... Sie versucht sicher nur, so "normal" wie möglich die ihr bleibende Zeit zu erleben, dazu gehört eben auch, daß man ihr es ansieht, wenn sie keine Haare hat... und das belastet sie zusätzlich emotional. Leider haben viele Mitmenschen da dann eher das Bedürfnis sich abzuwenden, weil sie einfach nicht wissen, wie damit umzugehen :mad:, gerade so als wäre Krebs ansteckend...
Darunter hat meine Tante sehr gelitten oder eben auch darunter, daß wenn oft jemand was gesagt hat, sie es in den falschen Hals bekommen hat... Sicher werden sie da auch oft sehr empfindlich, aber es darf einen nicht wundern - es ist für die Angehörigen schon schwer zu ertragen und wenn man selber betroffen ist, ich weiß nicht, wie ich reagieren würde :confused:.

Euch allen wünsche ich für die kommende Zeit sehr viel Kraft, ich wünsche Euch, daß Ihr noch viele schöne Stunden zusammen verbringen dürft :).

lg Chrisi

Fluni
22.08.2008, 21:54
Hallo,
ich war schon eine ganze Weile nicht mehr "on"...erlbe gerade das selbe wie du...mein Schwiegervater hat neben Lungenkrebs nun auch noch Hirnmetastasen.Als ich gelesen habe, das du immer Angst vor dem Tag hast, an dem sich alles verändert...da mußte ich dir schreiben, weil ich diese Angst auch habe...fühl dich gedrückt!
gruss Fluni

sanmei
27.08.2008, 13:31
Wow. Danke mal wieder für Eure Antworten.

Ich war am Wochenende endlich mal wieder bei meiner Mutter. Man versucht alles in dieses Wochenende zu legen, was man kann, möglichst viel Liebe verschenken, möglichst viel Lachen und einfach zeigen, dass man da ist und sich als Ansprechpartner anbieten...wenn Bedarf ist.

Schmal und klein sieht sie aus, aber ihre wirren nachgewachsenen Haare sind total süß. Manchmal habe ich das Gefühl, sie ist gar nicht so richtig dabei und dass ihr die mitgebrachten Blumen aus unserem Garten oder so ein paar andere Dinge, bei denen man sich selbst total Gedanken gemacht hat, gar nicht viel bedeuten. So ein bisschen abwesend...Aber wie könnte ich es ihr übelnehmen...

Dann wieder steht sie neben mir, während ich ich mich schminke im Bad oder wenn ich meine Socken anziehe und sieht mich lange und schweigend an. Da merkt man, was ihr alles im Kopf herum geht und es zieht bis in die Magengrube.

Ihr Mann hat ihr ein Kleid im Katalog gezeigt und sagte, "Guck mal das ist doch hübsch. Darf ich dir das bestellen?". Sie sagte "Ja, das ist wirklich schön. Aber das hat ja keine Ärmel, das wäre ja erst für nächsten Sommer. Bestell es nicht". Wir haben ihr gut zugeredet, dass sie das doch toll im Urlaub tragen könnte, aber sie sagt, sie kauft sich jetzt (erstmal...) keine Klamotten mehr.

Der Abschied nach dem Wochenende war tragisch. Wir sehen uns erst nach ihrem Urlaub Ende September wieder und obwohl ich meine, dass es SO schnell dann doch nicht gehen wird, weiß man es natürlich nie mit Gewissheit.

Und dieses leise Gefühl - vielleicht sehen wir uns das letzte Mal - wurde nicht ausgesprochen, aber es hing zentnerschwer in der Luft. Meine Ma hatte Tränen in den Augen und versuchte sich abzulenken, indem sie völlig hilflos etwas über die Knopflöcher an meiner Strickjacke japste. Das hat mich völlig fertig gemacht. Ich hab gesagt: "Mami, was redest du denn da? Hey, wir sehen uns doch schon in 4 Wochen wieder, das weißt du doch. Winkst du mir noch vom Balkon?"

Ich hab das Gefühl, ich hab sie nicht oft genug gedrückt...:(

Immerhin habe ich mit ihr vereinbart, dass ich zum nächsten Kopf-MRT mitkomme Ende September, weil ich doch auch mal dabei sein und ihr die Hand halten will.

Ronnya
27.08.2008, 14:30
Hallo Sanmei...

Ich habe schon länger still bei dir mitgelesen,nach deinem letzten Bricht habe ich nun das Bedürfniss dir mal zu antworten....

Ich empfinde deine Mutter als sehr tapfere Frau,und du bist eine tapfer Tocher....
Die Zeit ist nicht einfach für euch,und das du auch noch weit entfernt wohnst ,macht die Situation nicht leichter.Du machst wirklich alles erdenklich mögliche...

Gib die Hoffnung nicht auf,auch wenn immer wieder die schlimmen Gedanken kommen.
Sieh das positive und erfreue dich daran,wenn deine Mama einen guten Tag hatte.Und genieße die Zeit ganz bewußt...

Das Gute ist doch das sie in Urlaub fährt,das wird bestimmt wunderschön.Sie wird die Zeit genießen .

Fühl dich einfach mal gedrückt.....:knuddel:
Regina

sanmei
28.08.2008, 15:17
Liebe Ronnya,
herzlichen Dank für die lieben Worte. Den letzten 2 Zeilen deiner Mail entnehme ich, dass der Verlust deines Vaters noch ganz frisch ist. Ich drücke dich ganz doll. Weiß nicht, wie man das überstehen kann, sicherlich zersplittert irgendwas in einem. Mag gar nicht daran denken...

Bestimmt kennst du das Gefühl, dass man denkt, man erfasst das Ganze gar nicht richtig. Ich kann doch nicht in diesem Flur stehen und mich von meiner Mutter verabschieden als wär nix, sie lieb drücken, ihr die Tränchen wegwischen, die Tasche nehmen und selber gar nicht weinen, sondern lieber schnell ins Auto wollen, nochmal winken und dann denken "das war doch ein schönes Wochenende, hoffentlich geht's ihr noch lange so gut" und dann nach ein paar Minuten das Radio anmachen, um die Staumeldungen zu hören.

Ich müsste doch heulen und schreien bei dem Gedanken, was sich da gerade abspielt. Ich dürfte doch eigentlich gar nicht wegfahren wollen. Aber ich bin so cool nach außen. Ich kapier das gar nicht.Aber ich mach das irgendwie mit mir selbst aus....und mit Euch hier...das hilft mir so sehr....zu wissen, dass man nicht alleine da steht..

Die ersten 2 Monate nach der Diagnose habe ich mir glaube ich auch genug die Augen ausgeheult. Seit dem heißt es vorwärts schauen und genau hinhören abends am Telefon...

Ich glaube, ich spare nicht nur heimlich Urlaub auf, sondern auch Kraft ;)

Naddel2909
29.08.2008, 17:12
Hallo Sandra,

hatte dir ja ziemlich zu Anfang hier schon ein paar Zeilen geschrieben. Heute hab ich mal wieder ein bisschen bei dir gelesen und ich finde es "unglaublich schön" wie bewußt du von deiner Mama Abschied nimmst.

Auch wenn die Situation noch so schrecklich ist...du hast die Möglichkeit dich zu verabschieden. Ganz bewusst...und auch wenn das kein Trost ist, aber diese Möglichkeit hat nicht jeder. Wenn ich darüber nachdenke wie es bei uns war, tut es mir unglaublich leid, dass ich die Situation nie wirklich so Ernst genommen habe! Ich dachte immer...ach, dass wird schon.

Also...lange Rede kein Sinn;) Ich finde deine Art und Weise damit umzugehen einfach unglaublich schön. Wenn man das Wort schön in deiner Situation benutzen darf.

Ich wünsche dir weiterhin ganz viel Kraft...

Liebe Grüße
Nadja

sanmei
03.09.2008, 16:53
Hallo Naddel,
ja vielleicht hast du Recht. Vielleicht werde ich auch erst irgendwann im Nachhinein kapieren, wieviel diese Zeit jetzt bedeutet und wieviel intensiver wir doch miteinander umgehen. Und was für eine Chance es ist, sich Zeit nehmen zu können für kleine, wichtige Dinge, weil man sich einfach bewusst ist, dass uns vielleicht nicht mehr viel Zeit bleibt.

Gar nicht einfach...

Ihr Mann hat ihr jetzt übrigens doch einfach ein schönes Kleid für den Urlaub gekauft. Finde ich toll. Wo gibt's denn sowas: "Ich brauch jetzt kein Kleid mehr". Pah! :zunge:

misspiggy70
27.09.2008, 22:32
Liebe Sanmei...

Deinem Eingangsposting entnehme ich, dass Deine Mutter eine " Ganzkopfbestrahlung " erhalten hat .. ist das richtig ???

Ich selber habe auch am 15.08.08 die Diagnose Lungenkrebs erhalten.. bei weiteren Untersuchungen wurden dann noch zwei Hinmetastasen gefunden.
Der Radiologe riet mir damals von einer kompletten Bestrahlung des Kopfes ab, weil man diese nur einmal durchführen kann... bei einer weiteren Kopfbestrahlung würde das Gewebe zu sehr " beschädigt "
Er riet mir zu einer Gamma Knife Behandlung.
Da werden die Metastasen hochdosiert und punktgenau beatrahlt.. hat bei mir ca 20 Minuten pro Metastase gedauert ( insgesamt 40 Minuten )
Bei dieser Behandlungsmethode können hirnmetastasen in 90 Prozent aller Fälle komplett zerstört werden... sollte das nicht der Fall sein, oder sollte sich an einer anderen Stelle im Gehirn wieder eine Metastase bilden, so kann man die Behandlung wiederholen, weil das gesunde Gewebe nicht beeinträchtigt wird.

Ich weiss natürlich nicht ob man so eine Gamma Knife Behandlung auch noch nach einer Ganzkopfbestrahlung durchführen kann, aber vielleicht kann das Deine Mutter mal mit Ihrem Onkologen besprechen... ein Radiologe würde da sicherlich auch Auskunft drüber geben können.

Ich wünsche Dir und Deiner Mutter Alles Gute... Ihr dürft die Hoffnung einfach nicht aufgeben !!!

LG, Susanne

sanmei
07.10.2008, 11:41
Liebe Susanne,
lieben Dank für deine Nachricht. Da hast du ja die gleiche schreckliche Diagnose bekommen wie meine Mutter. Ich drücke dich ganz doll. Natürlich sind Behandlung und Verlauf immer ganz individuell. Und wenn ich das richtig einschätze, bist du ja eher in meinem Alter (36) als in dem meiner Mutter (56). Wie kommst du zurecht?

Danke für den Tipp zur Gamma Knive Behandlung. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob meine Mutter eine Ganzkopf-Bestrahlung bekommen hat. Sie spricht nicht gerne und schon gar nicht detailliert über ihre Behandlung. Leider bin ich aufgrund der 350 km zwischen uns bei den Terminen nicht dabei. Wenn du sagst, Ganzkopf-Bestrahlung bekommt man nur einmal, kann das gut sein. Seit Juli 2007 hat sie ca. 6 Wochen Bestrahlung am Kopf (alle 3 - 4 Tage), 7 Wochen Bestrahlung auf die Lunge (jeden Wochentag!) und insgesamt 4 Zyklen Chemo (hauptsächlich für die Lunge) bekommen.

Ich habe hier zuletzt geschrieben, dass sie mit ihrem Mann 2 Wochen in den Urlaub fahren wollte. Die 2 Wochen Gran Canaria haben beiden unglaublich gut getan und es ist auch alles gut gegangen. Anfang August hat sich ja herausgestellt, dass die Hinmetastasen sich vermehrt haben. Anfang Oktober - also gleich nach dem Urlaub - hatte sie einen weiteren MRT-Termin. Es ist furchtbar, aber verglichen mit den August-Aufnahmen haben sich die Metastasen im Kopf noch einmal vermehrt und die bereits vorhandenen haben sich vergrößert.

Was mir Angst macht: Man merkt es ihr inzwischen auch an....

Vorm Urlaub war sie noch in einem Zustand, in dem sie immer wieder sagte "Ich wünschte, ich wäre so gesund, wie ich mich fühle".
Ihr Mann hat mir erzählt, dass sie im Urlaub leichte Orientierungsschwierigkeiten hatte (der Weg vom Buffet zurück zum Tisch, den Ausgang finden usw.). Außerdem hat sich ihr Gang, der vorher nur ein leichtes Humpeln war, stark verschlechtert. Hinzu kommt der Druck, den sie im Kopf zunehmend spürt. Zu einem allgemeinen sich-schwach-fühlen kommt außerdem hinzu, dass sie sich nicht mehr auf ihre Beine verlassen kann. Ihr ist nicht schwindelig oder so, sondern die Beine klappen ihr einfach weg. Letzte Woche ist sie zum ersten Mal einfach umgefallen. In der Wohnung zum Glück und ohne sich sonst wehzutun.

Am nächsten Tag wurde gleich ein Rollator beschafft. Damit rollert sie nun durch die Wohnung. Wir haben darüber gesprochen, was einem Angst macht und was nicht. Sie sagte "Mir macht es keine Angst, dass meine Beine nicht mehr mitmachen. Ich habe Angst davor, dass man mich - wenn ich erstmal gepflegt werden muss - nicht mehr wie einen Menschen behandelt".
(Ich muss dazu sagen, sie hat selbst in der Pflege gearbeitet und weiß einfach, wie würdelos manche Pfleger/innen mit den Leuten umgehen).

Könnt Ihr verstehen, dass ich nach jedem Telefonat neuerdings erstmal einmal eine Runde heulen muss? Ich will es immer noch nicht wahrhaben und wir sind doch schon mittendrin.

Mein Mann zählt fröhlich die Tage bis zu unserem Urlaub (noch 36). Ich bin mir insgeheim nicht mehr sicher, ob wir wirklich fahren werden. 4 Wochen Mexico...ganz schön weit weg... ganz schön lange...Dabei waren wir eineinhalb Jahre nicht mehr weg und freuen uns schon so lange darauf.

Ich warte jetzt erstmal ab, was ihre Ärztin vorschlägt. Die sagt, es soll noch eine Chemo gemacht werden, die allerdings etwas komplizierter ausfällt. Man könne den Körper jetzt nicht einfach weiter zuballern. Heute oder morgen kommt der neue Therapieplan. Vermutlich fahren mein Mann und ich dieses Wochenende mal zu ihr und machen uns selbst mal ein Bild. Ich überlege wegen des Urlaubs, die Ärztin mal selbst anzurufen. Meint ihr, sie dürfte mir telefonisch Auskunft geben, wenn sie mich persönlich gar nicht kennt? Ich komme mir auch ein bisschen blöd vor, nach Absolution für meinen Urlaub zu fragen...Das klingt so verdammt selbstsüchtig.

Woher soll man wissen, was einen erwartet und wie der weitere Verlauf ist? Würde ich nicht nur jeden 2. Tag zuhause anrufen, in den blauen Himmel heulen und dann vielleicht den Urlaub doch abbrechen?

Vielleicht sollte ich jetzt einfach noch ein bisschen abwarten....

Sandra

Cindy 69
14.10.2008, 12:44
Liebe Sanmei,

sei erstmal lieb gegrüsst von mir. Habe die Beiträge zu deinem/euren Schicksal gelesen und dachte mir es geht dir ähnlich wie mir. Ich bin 39 Jahre alt, meine Mutter 58 Jahre, als bei ihr dieses Jahr im März ein großes weitfortgeschrittenes Bronchialkarzinom festgestellt wurde. Im Mai dann die schreckliche Wahrheit: 3 Hirnmetastasen ! Bestrahlungen folgten. Ihr Hausarzt geht noch von einer Lebenserwartung von einem halben Jahr aus. Eine Welt ohne meine Mama !!! Auch bei ihr macht sich Schwindel, ein vorsichtiger Gang, Druck im Kopf... mittlerweile bemerkbar. Wenn ich deine Geschichte lese, denke ich sie ist wie meine. Und diese sch... Angst ! Ein Urlaub würde dir ganz sicher, auch deinem Mann, sehr gut tun. Ich finde es eine sehr gute Idee, den Zustand deiner Mutter, sowie euren Urlaub mit dem Arzt abzusprechen. Ich denke ihr werdet für die Zukunft viel Kraft brauchen. So wie wir auch ! Und ich wünsche, wir werden sie haben. Lass von dir hören und sei ganz lieb umarmt.

Liebe Grüsse

Cindy

sanmei
15.10.2008, 11:22
Liebe Cindy,
hab Dank für deine Anteilnahme. Dein und mein Fall hören sich ja wirklich ziemlich identisch an. Gib nix auf das halbe Jahr! Meine kleine Mama hat auch über ein 14 überstanden, ohne große Symptome - eigentlich beinahe normal. Das scheint sich nun gerade zu ändern. Mir ist gerade ganz schlecht.

Mich hat gerade eine E-Mail vom Mann (J.) meiner Mutter erreicht. Sie hat am Montag mit der 5. Chemo angefangen. Das Wochenende davor war wohl eine Katastrophe - natürlich kein Wort darüber von ihr am Telefon!

Er sagt, sie fällt nachts mehrfach aus dem Bett, nassgeschwitzt und ausgezogen. Oft muss er sie waschen, manchmal kann sie aber auch selbst duschen. Er musste neulich mal außer Haus, hat sich mehrfach von unterwegs bei ihr gemeldet und alles schien normal. Als er zuhause ankam, lag sie auf dem Boden und war kaum ansprechbar.

Er hat mich gefragt, ob ich einverstanden wäre, wenn er mit der Ärztin spricht und sie die Chemo stationär machen. Natürlich! Ich bin so froh über alles, was er bis hierhin schon gemeistert hat. Er KANN das nicht alleine tragen. Vor allem, muss er selbst mal wieder eine Nacht durchschlafen, um Kräfte zu sammeln.

Er soll mit der Ärztin klären, wie schnell sie in ein Krankenhaus kann, wo sie rund um die Uhr betreut wird und nicht aus dem Bett fallen kann. Außerdem muss sie wohl dringend ein wenig aufgepäppelt werden. Sie isst laut J. kaum etwas, sondern verbringt den Tag damit, eine Zigarette nach der anderen zu rauchen.

Ich warte jetzt, dass er sich meldet, dann setze ich mich heute oder morgen ins Auto und fahre hin und wir meistern das gemeinsam.

Mir macht das alles eine Höllenangst. Da tut sich ein Weg vor mir auf, den ich partout nicht gehen will. Wie kann man sowas nur überstehen?

Verflucht!

Cindy 69
15.10.2008, 14:32
Hallo Sanmei,

ich stelle fest, dass es dir genau gleich geht wie mir. Ich habe heute meine Mama besucht. Es war so traurig, dass ich anschliessend heulend vor dem Kindergarten stand um mein Kind abzuholen. Warum trifft uns dieses grausame Schicksal viel zu früh ? Wie kann man so eine harte Zeit nur überstehen ? Ich habe absolut keine Ahnung. Ich musste meine Mama heute stützen, weil ihr schwindelig war. Sie hat schon 15 Kg abgenommen. Da es keinen Mann bzw. Partner in ihrem Leben gibt, bleibt alles an mir hängen. Zumal ich leider auch keine Geschwister habe. Ich kann das alles gar nicht glauben. Und ich habe, wie du, schreckliche Angst vor dem, was uns alles bevorsteht.

Jedenfalls kannst du sehr, sehr froh sein, dass deine Mami einen Partner hat, der ihr zur Seite steht. Das macht das ganze natürlich trotzdem nicht leichter, das ist schon klar. Deine Mami scheint auch sehr viel mit sich selber ausmachen zu wollen, damit sie euch möglichst wenig damit belastet.

Ich bin jetzt trotzdem sehr froh, mir hier wenigstens alles von der Seele reden zu können, und jemanden mit fast gleichem Schicksal "getroffen" zu haben.

Wie schaffen wir denn das alles ? Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es mir heute wieder ganz schlecht geht. Vielleicht auch, weil ich sie heute Morgen besucht habe, und das alles wieder ganz nahe ist. Ich kann nicht immer die Starke sein.

Ich wünsche dir viel Kraft, wenn du deine Mami besuchen gehst. Die brauchen wir beide zukünftig !

Leider ganz traurige Grüsse

Cindy

sanmei
15.10.2008, 15:03
Liebe Cindy,
Wir sind nicht alleine in dieser schrecklichen Geschichte, das ist doch wenigstens etwas. :pftroest:

Dass du den ganzen Ballast alleine tragen musst, ist schlimm. Meine Mutter hat auch fast 20 Jahre allein gelebt, hat aber vor 8 Jahren nochmal geheiratet. 1 Jahr später dann der Brustkrebs. Obwohl das alles damals sehr früh erkannt und der kleine Knubbel schnell entfernt war, war ich schon damals sehr dankbar, dass sie jemand zuhause versorgt und bei ihr ist. Den ganzen Bürokratie-Kram übernimmt auch jetzt zum Glück J. Er spricht mit Ämtern und Behörden, beantragt alles usw. Da nimmt er mir und meinen Mann wirklich viel von den Schultern.

Hast du einen Partner, der dir zur Seite steht?

Habe heute morgen mit J. noch etwas gemailt. Die behandelnde Ärztin ist diese Woche nicht da, der Hausarzt kommt nichtmal vorbei und will bis Montag warten, um dann mit der Ärztin das weitere Vorgehen abzustimmen. Habe gerade mit einer sehr guten, lieben Freundin - Anne - telefoniert, die selbst Ärztin ist, die meine Mutter schon seit der Schulzeit gut kennt und mich ein bisschen beraten hat.

Sie sagt, ich solle gleich morgen hinfahren und meine Ma den Tag über beobachten. Vor allem, ob oder wie oft sie Bewusstseinsstörungen hat oder ob sie sogar manchmal ohne Bewusstsein sei. Dann könnte ich Freitag immer noch reagieren und ggf. die Einweisung ins Krankenhaus veranlassen.

Bewusstseins-Ausfälle sind auf den erhöhten Druck im Kopf zurückzuführen und müssen dann eiligst mit starker Medikation im Krankenhaus behandelt werden. Da wäre dann jede Stunde wichtig. Sie sagte gerade zu mir: Sag deinem Chef, du nimmst morgen frei und wirst evtl. auch nächste Woche nicht da sein. (Hab gerade schon mit ihm gesprochen). Und sie sagte, dass sie selbst Samstag vorbei kommt, um nach dem rechten zu schauen, obwohl es auch für sie 2 Stunden Fahrt sind.

Leider muss ich meinen Süßen morgen zuhause lassen, der ausgerechnet jetzt mit Grippe zuhause im Bett liegt.

Auch wenn das alles mehr als besorgniserregend klingt, ich bin froh jetzt wenigstens einen Plan für dieses Wochenende zu haben. Und liebe Menschen, die mir beistehen. Tief einatmen, tief ausatmen.

Machen wir das Beste draus...

Cindy 69
15.10.2008, 19:46
Liebe Sanmei,

es wird deiner Mutter sicher gut tun, wenn du bei ihr bist. Dass dein Chef damit einverstanden ist, wenn du eine Woche fehlst ist ja schon mal was. Es wird sicher nicht einfach sein deine Mami zu erleben und zu merken, dass da im Kopf ja wirklich etwas negatives vor sich geht.

Wenn du von Bewusstseins-Ausfällen schreibst... Das wird dann wohl auch irgendwann auf uns zukommen. Ich versuche mich auf sämtliches gefasst zu machen, was natürlich nicht geht. Wir haben für meine Mutter bereits die Pflegestufe 1 beantragt und auch schon genehmigt bekommen. Etwas das ihr im Auge behalten solltet, falls noch nicht getan. Gegen den erhöhten Hirndruck im Kopf muss sie täglich Kortison einnehmen. Und das bereits einige Monate, ja eigentlich gleich nachdem sie die Hirnmetastasen im Mai diesen Jahres entdeckt hatten.

Wer mich bei diesem Schicksal unterstützt ist mein Mann. Er ist mein Fels in der Brandung. Ohne ihn wäre alles unmöglich... Wir haben zwei Buben im Alter von 5 Jahren und 13 Jahren, für die ich auch Kraft benötige.
Hast du auch Kinder ?

Was ich irgendwie noch nicht geschafft habe, ist, die Krankheit anzunehmen und so richtig im Kopf zu kapieren. Wir wissen es ja auch erst seit März. Das ist bei mir irgendwie ein Prozess der länger braucht. Wenn ich sie dann sehe... ein armes, trauriges Bündel von Frau... Das tut einfach heftig weh ! Aber ich werde es lernen müssen. Wir alle, ich weiss.

Wünsche dir alle Kraft der Welt und schicke dir liebe Grüsse !

Cindy

sanmei
20.10.2008, 11:05
Liebe Cindy,
ich kann gottseidank Entwarnung melden.;)
Dass es meiner Mutter so sehr schlecht ging, war wohl vor allem das Ergebnis trotziger Eigenmacht und Unvernunft. Sie hatte Probleme zu schlafen und hat deshalb ziemlich heftige Schlaftabletten genommen (keine Ahnung, woher sie die hat). Dazu noch 2 - 3 Glas Rotwein und fertig war die hausgemachte Krise.

Ich war jetzt Donnerstag bis Sonntag bei ihr und es ging ihr jeden Tag deutlich besser. Die neu angelaufene Chemo scheint zu wirken und seit einer Woche nimmt sie nun auch ein Cortisonpräparat, das den Druck im Kopf nach und nach abbaut. Das alles zusammen hat mir bis Sonntag Mittag eine recht fidele Mami beschert, die sich gefreut hat, ihren Fuß wieder bewegen zu können und wieder ganz normal und konzentriert sprechen konnte.

Bewusstseinsausfälle gibt es also wie zuerst befürchtet nicht. Sie hat halt Probleme mit dem Laufen und ist deshalb 2 - 3 Mal ziemlich übel in der Wohnung gestürzt. Nachdem ich das am Donnerstag Abend einmal live mitbekommen habe, habe ich mit viel Geduld und gaaaanz lieb auf sie eingeredet, dass sie besser auf sich aufpassen und für uns alle vernünftig sein muss. Seit dem nimmt sie jetzt in der Wohnung den Rollator zur Hilfe für jeden noch so kleinen Gang. Wir waren auch schon draußen damit spazieren und es funktioniert prima. Hoffentlich bleibt sie auch weiterhin so vernünftig.

Es war jedenfalls gut, dass ich da war. Habe sie am Freitag zur Chemo begleitet, viel mit ihr gequatscht und wir haben sogar Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt (2 Runden - bestimmt 3 Stunden insgesamt). Ich hatte ja so ein schlimm beklemmendes Gefühl, was den Abschied anging. Der letzte Abschied (vor ihrem Urlaub) war so furchtbar. Dieses Mal - nach 4 Tagen Dauerbelagerung meinerseits - waren sie und J. aber glaube ich fast froh mal wieder alleine sein zu können und deshalb ging der Abschied superglimpflich ab. "Ja Tschüss, wir telefonieren, machs gut". Sehr schön.

Jetzt ist erstmal wieder Frieden. Tief durchatmen. Noch 24 Tage bis zum Mexico-Urlaub ;)

Cindy 69
21.10.2008, 10:41
Hallo Sanmei,

habe das Wochendende natürlich an dich gedacht und wie es deiner Mama wohl geht. Es freut mich sehr für dich, dass sich alles anders herausgestellt hat als befürchtet. Puh... Man lebt halt immer irgendwie in innerer Anspannung. Immer mit dem Gedanken was da wohl alles kommt und wann es schlimmer wird. Einfach nicht mehr so unbeschwert wie früher. Schön das du die Tage so intensiv mit deiner Mutter verbringen konntest. Daraus hat sie sicher wieder enorm Kraft schöpfen können. Und für dich ist es bestimmt auch erleichternd, auch im Hinblick auf deinen Urlaub.

Bei mir gibt es soweit nichts neues. Wir haben meine Mutter am Sonntag besucht worüber sie sich sehr gefreut hat. Wir konnten auch ein ganz schönes Stück spazieren gehen, obwohl sie schon über Schwindel klagt und leichte Unsicherheiten beim Gehen. Aber so lange es jetzt so erst mal bleibt, bin ich natürlichfroh.


Liebe Grüsse

Cindy

Cindy 69
24.10.2008, 20:24
Hallo Sanmei,

Wie geht es dir denn und deiner Mutter inzwischen ? Hoffe es hat sich nichts negatives entwickelt...

Heute habe ich wieder meine Mutter besucht. Mich hat der Schlag getroffen. Sie war völlig verändert. Hatte richtige Koordinationsprobleme beim Laufen und konnte sich nur schlecht orientieren. Sie redete merkwürdig durcheinander. Dazu kamen Kopfschmerzen und Probleme beim Sehen... Es war unglaublich. Wir haben alles gleich mit dem Arzt abgesprochen. Er meinte sie soll sofort das Kortison erhöhen (Statt einer Tablette täglich, nun 4 Tabletten) wegen den Ödemen die durch die Hirnmetastasen entstanden sind und Platz suchen. Ist das schrecklich. Sie konnte die einfachsten Dinge nicht mehr koordinieren. Was passiert wenn das Kortison nicht mehr ausreicht ??? Und die Ausfälle weiter stattfinden ? Ich will gar nicht daran denken. War gleich von der Rolle heute. Es hat mich wieder total fertig gemacht. Jetzt liegt sie im Bett und hofft, dass dieses Kortison alles wieder ins Lot bringt. Ich hoffe es sehr, sehr, sehr.
Und immer diese Angst. Werde ihr morgen gleich anrufen und fragen ob es ihr schon besser geht.

Hoffen wir mal, durchatmen, und weiter geht´s...

Grüsse

Cindy

sanmei
27.10.2008, 11:02
Liebe Cindy,
ich drücke dich ganz doll. Das ist natürlich keine gute Wendung. 4 Stück von den Kortison-Tabletten täglich klingt sehr heftig. Behalt deine Mutter so gut es geht - und so weit du kannst und auch die Kraft hast - im Auge. Ist inzwischen morgens und abends eine Pflegerin bei ihr, so dass sie Hilfe hat? Du sagtest mal, ihr hättet Pflegestufe 1 genehmigt bekommen. Mensch, im Bett liegen zu müssen, ist ja bestimmt auch ganz schön schlimm für sie.
Meine Freundin Anne hat mir ja neulich ganz hilfreich erklärt, dass erst Bewusstseinsausfälle das Signal sind, dass es ohne Krankenhaus nicht mehr geht. Ich drücke Euch die Daumen, dass es noch ganz lange dauert, bis das erforderlich ist. Halt mich auf dem Laufenden!

J. hat mir letzte Woche geschrieben, meiner Mutter gehe es tatsächlich auch weiterhin jeden Tag ein bisschen besser hinsichtlich Sprache und Koordination.

Allerdings nimmt sie wohl den Rollator nicht mehr in der Wohnung. Sie meinte zu mir am Telefon, sie würde sich damit ihren Gang versauen und dann bald gar nicht mehr richtig laufen können. Es ist erstaunlich, wie die Selbsteinschätzung einer Altenpflegerin so uneinsichtig sein kann. Jedem anderen in ihrer Lage würde sie raten, das Ding einfach zu nutzen, um sich nicht lebensgefährlich zu verletzen. Aber mehr als "Ja ja" bekomme ich auf meine vorsichtigen Appelle nicht zu hören von ihr...und ich weiß, was "ja ja" bedeutet... Ich habe ihr gesagt, wenn sie es schafft, alle blauen Flecke abheilen zu lassen, ohne neue dazu zu bekommen, darf sie den Rollator in die Ecke stellen. Erklärtes Klassenziel sei also, sich darauf zu konzentrieren, nicht mehr zu fallen und erstmal zu verheilen. Dann dürfe sie mir gerne beweisen, dass sie auch ohne Hilfe gehen kann. Da hat sie dann ein bisschen eingelenkt. Wer weiß, ob sie es sich zu Herzen nimmt...

Ich kann mir gut vorstellen, wie mulmig du dich fühlen musst. Versuche dich innerlich nicht aufzufressen, sondern dir irgendwo im Herzen etwas objektive Distanz zu bewahren. Auch im Sinne deiner Familie. Im Grunde sind ein wackeliger Gang und etwas Diskoordination noch kein Grund zur Panik, obwohl es natürlich saumäßig weh tut, diese Verwandlung mit ansehen zu müssen. Unsere Mütter altern jetzt einfach etwas schneller...:(

Meld dich unbedingt wieder!

Sandra

Cindy 69
27.10.2008, 17:10
Hallo Sandra,

vielen Dank für deinen Zuspruch und deine mich aufbauenden Worte.
Meine Mutter hat von Juli 08 bis ca. Sept. 08 bei uns in der Wohnung gelebt. Sie konnte die alltäglichen Dinge schon nicht mehr alleine bewältigen. Da wir aber zu viert in einer 4-Zimmer Wohnung leben, war das alles auf weitere Sicht nicht mehr möglich. (Wir haben unser Schlafzimmer geräumt, ihr das Zimmer mit Pflegebett eingerichtet und in den drei Monaten im Wohnzimmer auf dem Sofa geschlafen) Wie ich dir ja geschrieben habe, gibt es bei mir keine Geschwister und auch meine Mutter hat keine sowie keinen Lebenspartner. Also keine weitere Unterstützung... Schweren Herzens haben wir sie vor ca. 4 Wochen in ein Pflegeheim geben müssen. Bis ich die Situation annehmen konnte, das dauerte. Ich konnte auch nicht darüber schreiben. Ich musste zuerst mein schlechtes Gewissen verarbeiten: Ich habe versagt, ich bin Schuld dass sie dort sein muss, weil ich es nicht geschafft habe mich rund um die Uhr zu kümmern... Alle Freunde und Bekannten haben mir versucht, das alles auszureden. Es ging mir auch immer schlechter, da ich keinen Abstand mehr gewinnen konnte, aber ja trotzdem für meine Familie zu funktionieren hatte.
Inzwischen, auch jetzt wo ich sehe, dass ihr Krankheitsbild sich verschlechtert, bin ich sehr froh, dass sie dort Tag und Nacht versorgt wird. Sie ist zudem noch Diabetikerin und man muss ihr 3 x täglich Insulin spritzen.
Ich weiss sie dort sehr gut aufgehoben. Das Pflegeheim ist ca. 15 Minuten von uns entfernt, und ich kann sehr oft vorbei gehen. Sie hat dort ein sehr schönes Einzelzimmer mit Bad und WC. Das Pflegeheim ist noch ganz neu und hatte erst 07 Eröffnung.

Es freut mich so sehr, wenn du schreibst, deiner Mutter geht es Tag für Tag ein bisschen besser. Ich wünsche euch, dass diese Tatsache noch ganz lange anhält !

Du gehst ja bald nach Mexico... Wie lange ist´s denn noch ? Ich freu mich total für dich !

Sei lieb umarmt

Cindy

Cindy 69
04.11.2008, 18:36
Liebe Sandra,

habe schon eine Weile nichts mehr von dir gehört ? Alles o.K. bei dir ?
Ich vermute, dass du dich wahrscheinlich grade im Urlaub befindest und dich in der Sonne aalst... Lass es dir gut gehen...

Melde dich unbedingt wieder !

Liebe Grüsse
Cindy

sanmei
04.11.2008, 18:48
Liebe Cindy,
es ist alles in Ordnung bei uns, einfach nur viel zu tun ;)
Die Mama hat jetzt auch nochmal versucht, Pflegestufe 1 zu beantragen. Letzten Freitag war jemand da, um sich die Situation zuhause anzusehen. Es sieht wohl ganz gut aus, dass es diesmal klappt. Beim letzten Versuch war sie einfach noch "zu fit". Jetzt sprechen alleine die blauen Flecken Bände.

Außerdem sind trotz der "kleinen" Chemo nun doch wieder alle Haare ausgegangen. Aber sie hat eine hübsche Perücke bekommen, die was hermacht. Der Jürgen hat gleich ein Foto geschickt.

Dass deine Mutter inzwischen in einem Pflegeheim ist, darfst du auf keinen Fall als eine Art persönlicher Niederlage sehen. Wir alle haben unsere Grenzen und wie du jetzt auch selbst siehst, ist deine Mutter an den "nicht so guten Tagen" bestens versorgt. Du bist ja trotzdem oft bei ihr. Schön, dass ihr so eine schöne, neue Einrichtung in direkter Nähe zu Eurem Zuhause gefunden habt.

Ich muss jetzt leider los, drücke dich aber ganz doll und schreib mir auf jeden Fall, wie im Moment die Lage ist bei deiner Mutter, aber auch bei dir selbst. Ich bin noch eine volle Woche hier, bevor es ab in die Sonne geht.

Alles Liebe
Sandra

Cindy 69
04.11.2008, 19:08
Hallo Sandra,

dann bin ich ja froh, dass bei dir alles soweit in Ordnung ist.

Ich wünsche dir auf jeden Fall mal einen wunderschönen Urlaub. Den hast du dir jetzt aber auch verdient. Habe grade nochmal nachgelesen: Es sind ja tatsächlich vier Wochen Mexiko !!! Grandios !
Ein kleines bischen Neidisch bin ich ja schon ;)

Liebe Grüsse
Cindy

sanmei
17.12.2008, 18:51
Liebe Cindy, liebe Alle,
bin seit letzter Woche Dienstag aus dem Urlaub zurück. Der Urlaub war wundervoll und hat sehr gut getan - auch wenn sich die Gedanken an Zuhause natürlich nicht gänzlich abschütteln ließen. Kurz vor der Heimfahrt war ich hin- und hergerissen, ob ich mich auf zuhause freue oder ängstlich bin vor dem, was da kommen mag.

Wie insgeheim schon befürchtet, lag die Mama tatsächlich seit dem Sonntag vor unserer Wiederkehr im Krankenhaus. Zum ersten Mal seit der Diagnose vor 18 Monaten. Das hat uns innerhalb von Minuten wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht. Ich habe auf den Rat meines Stiefvaters J. hin sofort mit dem zuständigen Arzt gesprochen, der meinte, es wäre wohl besser, wenn wir direkt vorbeikämen.

Wir haben also die Sommersachen ausgepackt, eine Nacht zuhause geschlafen, dann die Wintersachen eingepackt und sind wieder losgefahren. Wir waren von Mittwoch bis Sonntag dort.

Was also passiert ist: Sie hat sich am Wochenende davor mehrfach übergeben müssen und war kaum ansprechbar. Ihre Sprache war auch kaum verständlich. J. hat es richtig mit der Angst bekommen und sofort den Notarzt geholt, der sie dann ins Krankenhaus gebracht hat. Dort hat sie sich relativ schnell erholt durch die 8 mg ForteCotin, die sie jetzt jeden Tag bekommen. Der Arzt sagte, diese Fortschritte seien jedoch nicht "überzubewerten" Die Chemo ist endgültig abgesagt....austherapiert, nix mehr zu machen...

Sie hat jetzt quasi noch so lange, wie das ForteCotin in der Lage ist dem Metastasen-Wachstum im Kopf entgegenzuwirken. 1 - 2 Monate? Wochen? Tage? Wer weiß das schon...

Bis letzten Samstag (ihr 57. Geburtstag :cry:) konnte sie wieder einigermaßen sitzen, so dass sie im Rollstuhl zu einem kleinen Essen mit ins Restaurant kam. Die Familie hat sich prima zusammengerissen und es war eine richtig fröhliche Runde. Bis meine Mutter dann zu müde war und zurück ins Krankenhaus gebracht wurde. Kaum war sie um die Ecke hat die komplette Tafel angefangen zu weinen. Das wir wirklich schlimm!

Wir haben uns außerdem letzte Woche von einer Mitarbeiterin des Hospizes beraten lassen, mit eunen ambulanten Pflegedienst gesprochen und über die Krankenkasse ein Krankenbett, einen Rollstuhl usw. für zuhause bestellt. Im Krankenhaus kann sie ja nicht ewig bleiben. Die hatten auch gar keine Zeit für Pflegetätigkeiten. Wenn man zu einer Mahlzeit mal nicht da war, blieb die Mama 3 Stunden über den immer welligeren Käsebroten sitzen. Erstens ist sie gar nicht in der Lage so was großes in die Hand zu nehmen und zu essen. Zweitens muss man sie eh zu jedem Bissen animieren, weil sie überhaupt keinen Appetit hat. Habe mir von der Hospiz-Frau sagen lassen, dass das bei einem so kranken Körper eben so sei und man sie nicht mit Essen quälen soll. Und zu ein paar Happen kann man sie ja immer überreden.

Und so ist sie nun gestern nach hause gekommen. Ich bin jetzt doch erstmal eine Woche arbeiten gegangen, was mich wirklich gut ablenkt. Aber abends bin ich dann doch ein Häufchen Elend. Am Freitag fahren wir wieder hin und bleiben dann über Weihnachten oder eben länger. Das entscheiden wir Schritt für Schritt.

Puuh, das ist wohl so ziemlich das schwerste, was ich je mitmachen musste. Ich weiß gar nicht, wie man durch so etwas durchgeht. Man nimmt sich einfach jeden Tag einzeln vor und denkt möglichst nicht daran, was wohl nächste Woche oder nächsten Monat ist. Ich bin so glücklich, dass mein Mann mich so liebevoll unterstützt. Wenn ich gar nicht mehr weiterwusste, hatte er immer einen guten Plan und nur so kommt es, dass ich noch nicht umgekippt bin und jetzt hier bei der Arbeit sitzen und einen halbwegs guten Job abliefern kann.

Alles Liebe an Euch alle!!
Sandra

Cindy 69
02.01.2009, 23:07
Liebe Sandra,

habe eben deinen Beitrag gelesen. Da ist die Erholung deines Urlaubes sicher schnell dahin. Das kann ich sehr gut verstehen...
Ich kann dir von mir auch nichts annähernd Gutes berichten. Meine Mama kann jetzt weder laufen noch stehen. Sie ist im Kopf verwirrt, schreit die halbe Nacht durch um "Hilfe" und ist phasenweise aggressiv im Wechsel mit Lachanfällen...
Die Pfleger meinten es gehe in die Endphase, wir müssten uns darauf einstellen.
Und nun ? Wie du sagst: Sind es noch Wochen oder Tage ?
Wie lässt sich so etwas schaffen ! Keine Ahnung... Ein Tag nach dem anderen betrachten, nicht längerfristiger. Und mit Menschen die einem gut tun die Zeit verbringen.

Liebe Sandra, trotzdem wünsche ich dir für das neue Jahr ganz viel Kraft, Zuversicht und Mut um alles anstehende bewältigen zu können.

Herzliche Grüsse
Cindy

sanmei
06.01.2009, 15:39
Hallo,
ich habe ein paar Tage gebraucht, bis ich mich wieder danach gefühlt habe, mich hier einzuloggen.

Meine Mama ist am Silvesternachmittag gestorben. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es war ein sehr schwerer Monat Dezember. Aber sie ist so stetig weniger Leben geworden, dass wir ihr zuletzt beinahe wünschen wollten, dass sie es schafft loszulassen.

Ich habe gerade meinen letzten Eintrag hier gelesen. Wie schlimm der Eindruck der Krankheit auf mich war noch Mitte Dezember. Man kann sich einfach nie vorstellen, dass jemand noch kränker werden kann. Aber aus ihren Sätzen wurden Worte, aus Worten wurde ein Flüstern und aus dem Flüstern ein lautloses Wispern und zuletzt nur noch hin und wieder ein Hochziehen der Augenbraue. Als wollte sie sagen "Ich weiß auch gar nicht, wie ich in diese Lage kommen konnte".

Wir waren am 30.12. noch einmal bei ihr, so dass ich sie einen Tag vor ihrem Tod noch gesehen habe. Obwohl sie sonst immer viel geschlafen hat oder nicht so ganz bei vollem Bewusstsein war, hat sie uns an diesem Tag noch einmal ein ganz klares Lächeln geschenkt und ich habe ihre Hand genommen, ihr damit über meinen Kopf und meine Haare gestreichelt und ihr gesagt, dass es mir gut geht. Dass mein Axel gut auf mich aufpasst und sie sich keine Sorgen machen muss.

Als uns dann im 4 Stunden entfernten Zuhause am nächsten Tag der Anruf ereilte, den ich nie bekommen wollte und vor dem ich immer so eine Angst hatte, da war ich merkwürdig ruhig. Konnte ihren Mann J. trösten und ehrlich sagen "Das hat sie gut gemacht".

Morgen fahren wir zur Trauerfeier. Und ich habe eine Heidenangst vor dem großen, inneren Zusammenbruch, der bis jetzt ausblieb. Alle ihre Freunde, Schwestern usw zu sehen wird bestimmt hart, obwohl ich mit den meisten von ihnen in den letzten Tagen schon viel telefoniert habe.

Himmel, gib mir die Kraft das durchzustehen. Danach muss ich das alles erst einmal begreifen...

Ich drücke Euch alle ganz doll und vor allem dich, Cindy. Nimm dir Zeit, sei bei deiner Mama und wenn du nur an ihrem Bett sitzt und Zeitung liest. Sei bei ihr. Und schreib mir wieder. Ich bin jederzeit für dich da.

Sandra

Cindy 69
06.01.2009, 19:06
Liebe Sandra,

mein aufrichtiges Beileid für deinen unsagbar schmerzlichen Verlust !

Mir fehlen die Worte, ich war eben schockiert, als ich von dir gelesen habe.
Deine Mama hat noch gewartet bis du von deinem Urlaub zurück kommst, und jetzt hat sie es geschafft. Sie hat keine Schmerzen mehr, muss nicht mehr leiden und muss kein unwürdiges Leben mehr ertragen. Für dich als Hinterbliebene ist dieser Verlust grausam und du wirst das alles erst verarbeiten müssen. Mensch, das alles kommt auf mich auch bald zu... Wie sich das tatsächlich anfühlt ohne Mama zu sein, werde ich dann auch erfahren.
Sandra... Ich leide und fühle so mit dir... diese furchtbare Krankheit !
Ich werde im Hinterbliebenen Forum weiter nach dir schauen. Du kannst mir auch gerne eine PN schicken. Schreibe, wann immer dir danach ist. Ich werde regelmässig nach dir "sehen". Ich bin aktuell im Lungenkrebs-Forum mit meinen Beiträgen.
Ich drücke dich ganz fest und ich wünsche dir alle Kraft der Welt, die morgige Trauerfeier zu überstehen.
(Meine Oma starb am 22.12.08 und die Trauerfeier war am 29.12.08...)

Du bist nicht alleine, ich denke an dich !

Cindy

Cindy 69
06.01.2009, 19:19
Liebe Sandra,

habe eben deinen allerersten Beitrag nochmal gelesen. Darin schreibst du, sie wolle das Jahr (08) noch schaffen... Genau das hat sie geschafft... deine liebe und tapfere Mama !

Stille Grüsse
Cindy

tina n.
06.01.2009, 19:37
Liebe Sandra

Mein Aufrichtiges Beileid.

Wünsche Dir alle Kraft der Welt für Morgen....und die kommende Zeit.

Traurige Grüsse Tina n. http://wuerziworld.de/Smilies/tr/tr6.gif

Cindy 69
07.01.2009, 10:33
Liebe Sandra,

ich denke heute an dich ! Schicke dir riesige Kraftpakete damit du den heutigen Tag schaffst. Du wirst ihn schaffen !!!

Stille Grüsse
Cindy

Cindy 69
14.01.2009, 18:24
Liebe Sandra,

du hast seither nichts mehr von dir hören lassen...
Ich weiss, es geht dir nicht gut.
Denke an dich !

Liebe Grüsse
Cindy

sanmei
15.01.2009, 16:40
Hallo Ihr Lieben!
Ich habe tatsächlich irgendwie letzten Mittwoch diese Trauerfeier hinter mich gebracht. Erst dort habe ich meine Tanten und gute, liebe Freunde, die mich auch schon von klein auf kennen, wiedergesehen. Das war einerseits schön und tröstend. Einfach zu sehen, wieviele Menschen aufrichtig um meine Mama trauern. Andererseits ist es wohl nah am Limit dessen, was man so ertragen kann.

Am allerschwersten fiel mir der Gang in die Trauerkapelle. Als dann alle zur Seite gingen, um uns den Vortritt zu lassen, da wurde mir nochmal schlagartig klar, dass wir hier die nächsten Angehörigen sind, dass wir in der ersten Reihe sitzen werden und auch direkt angesprochen werden würden vom Trauerredner. In der Kapelle saßen schon als wir eintraten fast 40 Leute, die meisten ehemalige Kollegen, von denen ich einige in den letzten Wochen kennengelernt hatten. Da alle aus dem Pflegedienst kommen, sind das alles ganz unglaublich liebe Menschen.

Mit der Zeremonie hätte man es mir nicht recht machen können, selbst wenn Elvis aufgetreten wäre. Da kann man nichts machen. Ich habe das irgendwie durchgehalten und innerlich viel in mich reingeschimpft, wahrscheinlich einfach bloß, um das nicht alles zu nah an mich ranzulassen: "Himmel, lass es das erste Lied auf Erden sein, dass nur eine Strophe hat" oder "Oh nein, er spielt jetzt nicht wirklich das Ave Maria auf der Panflöte, oder?".

Ich habe anschließend gefühlte 3000 Hände geschüttelt und wurde genausooft umarmt und gedrückt. Dann einen Schritt hinaus in die Eiseskälte und....Erleichterung! Da ist wirklich ganz, ganz viel von mir abgefallen.

Wir sind alle zusammen durch den Schnee zur Kaffeetafel gestapft, wo uns die Wirtin auch schon sehr gut kennt und uns auch weinend begrüßt hat. Wir hatten dort vor kaum 3 Wochen den 57. Geburtstag meiner Mama gefeiert.

Es waren erst unheimlich viele Leute da, aber nach einer Stunde waren wir nur noch der engste Familienkreis und das war sehr schön.

Wir wollten noch am gleichen Abend zurück nach hause und sind deshalb gegen 17 Uhr abgefahren mit einem Sack voller guter Wünsche im Gepäck und vielen Gedanken, die mich bis nach hause begleitet haben. Schön, dass mein Süßer so wie selbstverständlich morgens hin und abends zurückgefahren ist. Ich mochte irgendwie lieber zuhause sein, in meinem eigenen Bett.

Jetzt müsste nur noch irgendwann die Beisetzung der Urne im Friedwald folgen. Aber ich spüre, dass ich das schlimmste überstanden habe. Irgendwas in mir war heile geblieben, von dem ich die Tage zuvor große Angst hatte, dass es zerbrechen und kaputt gehen würde. Darüber war ich ziemlich erleichtert und eigentlich auch ein Stück erstaunt. Ich denke, das habe ich wirklich meinem Mann zu verdanken, der meine Basis, meine Ruhe und mein Leben ist und der mir in dieser Zeit so unglaublich viel Kraft geschenkt hat. Ohne viele Worte. Er hat mich einfach so weitergezogen, wo immer ich alleine einfach nur paralysiert gewesen wäre.

Ich bin jetzt wieder voll und ganz in meinem kleinen Alltag: Büro, Freunde, Samstag sogar eine Geburtstagsfeier. Es sticht und schmerzt, wenn jemand ganz beiläufig seine Mutter erwähnt, weil meine für immer fort ist. Ich denke viel über sie nach. Über ihr Leben und was es wohl bedeutet hat. Was es für mich wohl bedeutet hat. Ich fühle mich ruhig und aufgeräumt.

Ich wünsche Euch allen alles Liebe!
Sandra

Cindy 69
28.01.2009, 18:00
Liebe Sandra,

wie geht es dir inzwischen ?

Meine Mama ist am 22.01.09 von uns gegangen und gestern war die Trauerfeier. Ich bin traurig aber gleichzeitig froh, dass sie erlöst ist von ihren Qualen, dass sie friedlich gehen durfte, dass ich dabei sein konnte. Und ich bin froh, alles für sie getan zu haben... immer...
Nun müsse wir ohne unsere Mama weiterleben. Wir hatten sie doch beide viel zu kurz...

Liebe Grüsse
Cindy

sanmei
28.01.2009, 18:30
Ach, meine liebe Cindy, ich drücke dich ganz doll.
Es ist ja beinahe unheimlich, wie parallel unser Fälle liegen, nicht wahr?

Ja, neben der Trauer fällt auch sehr viel von einem ab und wenn man jemanden so eng auf diesem Weg begleitet, kommt irgendwann tatäschlich der Punkt, an dem man es ihm einfach gönnt, dass er loslassen kann. Ich hätte das nie für möglich gehalten.

Ich habe viel gelernt in dieser Zeit und sehe ein paar Dinge mit anderen Augen. Zum einen alles über diese schlimme Krankheit, gegen die man kämpfen kann bis zu einem gewissen Punkt, aber es gibt eben immer auch Diagnosen, da kann man das Unausweichliche nicht wegdiskutieren. Einerseits war es für uns alle gut, dass meine Mama bis zuletzt nie die Hoffnung verloren hat (bis zur Verleugnung), andererseits wünschte ich, wir hätten doch nur einmal ein Gespräch darüber geführt, dass wir einander verlieren werden und wie wir darüber fühlen.

Für mein eigenes, neues, ohne-Mama-Leben nehme ich mit, dass ich es mir gutgehen lassen und meinen eigenen Bedürfnissen mehr Raum geben muss. Ich versuche nach vorne zu schauen und habe mir gleich etwas geschaffen, worauf ich mich freuen kann: einen Sprachkurs in Italien im August.

Doch irgendwo ist etwas in mir ganz still geworden. Und ich werde wie du sicherlich noch eine Weile brauchen, um zu begreifen, dass sie nun wirklich fort ist. Und noch länger, um das zu akzeptieren.

Ich hoffe, deine Mama konnte ihren Frieden machen und dass du wie ich neben all dem Schlimmen auch noch schöne, wichtige Momente mit ihr hattest.

Ich bin gerade dabei eine Dankeskarte zu schreiben, die ich in ihrem Freundeskreis verschicken möchte. Habe dafür auch ein Foto von ihr abziehen lassen und einen schönen Satz gefunden:

"Wenn ihr mich sucht, dann sucht in euren Herzen.
Wenn ihr mich dort findet, dann lebe ich in euch weiter."

Ich wünsche dir und deiner Familie alles Liebe. Geh und umarm jeden einzelnen von Ihnen. Du bist nicht alleine :pftroest: