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#1
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Abschied
Hallo,
ich schreibe heute das erste Mal hier in das Forum für Angehörige, weil ich gleich einen Weg gehe, der mir nicht leicht fällt. Ein guter Freund von mir liegt im Sterben. Wir haben alles gemeinsam durchlebt. Die Diagnose Krebs, die Operationen, Chemo und Strahlentherapie. Ich war immer sein SOS, weil er die Familie nicht mit seinem Leid und der Krankheit belasten wollte. Er ist seit einigen Wochen in einem Hospiz und keiner der behandelnden Ärzte konnte mir irgendwelche Prognosen geben, obwohl sein Allgemeinzustand sehr schlecht war. Mittwoch haben wir noch ganz normal miteinander telefoniert. Gestern dann der Anruf seiner Frau, daß es zu Ende geht, er aber Angst vor dem Sterben hat. Da wir 300 Kilometer voneinander entfernt sind, habe ich eine neutrale Freundin gebeten, nach ihm zu schauen. Ihr Bericht war niederschmetternd. Er krampfte ständig und hat sie nicht erkannt. Sie hat mir geraten, ihn so in Erinnerung zu behalten, wie ich ihn das letzte Mal vor 4 Wochen gesehen habe. Sehr krank, aber dennoch voller Optimismus. Ich habe lange überlegt und seiner Familie dann gestern abend mitgeteilt, daß ich heute kommen werde. Mein Freund hat das Piepsen des Handys mitbekommen. Seine Schwester hielt seine Hand und hat ihm erzählt, daß die SMS von mir sei und ich ihn besuchen komme. Ob er sich freue. Daraufhin hat er ihre Hand ganz fest gedrückt. Sie rief mich später an und meinte, daß er dann wohl endlich in Frieden sterben könne, wenn ich noch einmal bei ihm war. Meine Gefühle sind ambivalent. Angst vor dem, was mir in 3 Stunden bevorstehen wird, aber auch Dankbarkeit, daß ich lebend von ihm Abschied nehmen darf. Ich hoffe nur, ich habe die Kraft, ihn nicht noch durch Tränen zu belasten. Danke fürs Zuhören - Evche
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Macht hat nur der über mich, dem ich sie gebe. |
#2
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AW: Abschied
Liebes Evechen
Du wirst die Kraft haben es zu überstehen, denn die gibt dir dein Freund selbst. Und bitte schäm dich keiner Träne, auch in diesen schweren Stunden des Abschiednehmens. Er weiss, dass sein Weg nun in einer Einbahnstrasse ist, er weiss, dass dies für ihn wie aich alle anderen ein Abschiednehmen heisst und Abshciednehmen ist mit Weinen verbunden, mit Schmerz und der darf von ihm wie auch von dir mit Tränen gezeigt werden. Lass es zu was dir dein Herz spricht udn zeigt. Er will nicht dass du dich für ihn verstellst, sondern dass du genauso so ehrlich und offen bist wie immer - das war offenbar ein sehr wichtiger Bestand eurer speziellen Beziehung. Oft warten Sterbende bis sie von allen Abschied nehmen konnten. Viel Kraft für den heutigen Weg. s'Doppelpäggli P.S. Ich bin (war) Krankenschwester und Sterbebegleiterin von Beruf.
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*** Willy 54 J. LK Pancoast Tumor Adeno. ES 8/02 ED 11/02, Radio-Chemo, Op. 2/03 seither Teilgelähmt, O2-abhängig Liz MS im Rolli. Gebärm.ca. 8/05 Mami 10.4.1934 - 7.9.2009 inoper. Hirntumor 10/07, Blasenkrebs 1/09 http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...ad.php?t=28736 http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...ad.php?t=28785 Unsere Welt: http://www.fotocommunity.de/pc/accou...9405/profile/1 GEMEINSAM SIND WIR STARK - seit 30 Jahren das DOPPELPÄGGLI! |
#3
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AW: Abschied
Liebes Evche,
weißt Du, es gehört schon eine Menge Mut dazu, einen lieben Menschen bis zu seinem Tod zu begleiten. Der Sterbeprozess schreckt viele ab, macht Angst, lähmt. Und doch gehört er seit unserer Geburt zum Leben dazu. Er wartet auf Dich, dessen bin ich mir ganz sicher. Du scheinst ein sehr wertvoller Freund für Ihn zu sein, und Dir selbst geht es ja nicht anders. Ich glaube, kein Mensch möchte alleine sterben, und viele warten direkt, um sich von Ihren Lieben noch zu verabschieden. Das kann auch nur ein Lächeln sein, ein zwinkern, ein Händedruck, eine kleine liebevolle Geste. Und doch soviel! Du bist ein sehr warmherziger Mensch mein Evche, das durfte ich ja schon selbst erfahren. Mein Dank gehört Dir. In Gedanken bin ich bei Dir und will versuchen, Dir Deine Angst, vor dem was kommt, ein klein wenig zu nehmen. Ja, es ist schrecklich, aber - sehe es als ein großes Geschenk an, dass Dir Dein Freund macht. Und irgendwann, werden wir uns ja eh alle wiedersehen, ohne Schmerzen und Angst. Ich umarme Dich ganz sanft Du Liebe Moni
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Jeder von uns ist ein Engel mit nur einem Flügel. Und wir können nur fliegen, wenn wir uns umarmen.
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#4
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AW: Abschied
Ich danke euch für eure lieben Worte. Der Sonntag war trotz meiner Befürchtungen wunderschön für mich. Als ich ankam, war Jürgens Zustand unverändert. Also habe ich mich an sein Bett gesetzt, seine Hand gehalten, ihn gestreichelt und alles erzählt, was seit unserem letzten Telefonat passiert ist.
Nach einer Stunde richtete er sich auf und war vollkommen klar. Die Worte kamen mühsam und haben ihn viel Kraft gekostet. Er berichtete, daß er in einem Traum wäre und seine Beine bereits im Wasser sind. Das Wasser würde immer mehr seinen Körper umspülen. Schmerzen empfand er keine. Als ich merkte, daß ihn das Sprechen zu sehr erschöpft, habe ich mich endgültig verabschiedet. Wir wußten beide, daß wir einander in dieser Form nicht mehr sehen werden. Er hat mein Gesicht mit beiden Händen umfasst und mich nur angesehen. Fast, als wollte er mein Antlitz in sich aufsaugen. Dann hat er meine Hände geküsst. In mir war in diesem Moment tiefer Frieden. Weil diese Geste unsere Beziehung, die sehr von gegenseitiger Achtung und Respekt geprägt war, wiederspiegelte. Heute geht es mir leider nicht so gut. Obwohl niemand weiß, wie lange der Sterbevorgang dauern wird und er ja noch lebt, kämpfe ich ständig mit den Tränen. Es erscheint mir so sinnlos, wenn ein Mensch mit Anfang 40 sterben muß. Obwohl ich durch mein eigenes Schicksal das Loslassen sehr schmerzlich lernen mußte, ist es doch wieder schwer für mich das Unabwendbare zu akzeptieren. Evche
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Macht hat nur der über mich, dem ich sie gebe. |
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